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Trans-Nation Co-Creation

Mehr Innovation für Deutschland

„Wir brauchen transnationale Co-Creation.“

Interview mit Oliver Schramm, Generalkonsul Deutschlands in der Bay Area

Was begeistert Sie persönlich am Silicon Valley – und was begeistert Sie am Wirtschaftsstandort Deutschland?

Oliver Schramm, Generalkonsul BRD

Was ich hier im Valley sehr, sehr schnell gelernt habe, ist, wie eng dieses Ökosystem zwischen Gründern, Startups, Big Tech, teils auch Finanzinstitutionen, auch ausländischen Talenten verzahnt ist und wie einmalig es dadurch ist. Ich glaube, das, was wir hier haben, ist so nicht reproduzierbar. Man sieht, wie sich das Silicon Valley über mittlerweile Jahrzehnte immer wieder neu erfindet. Was mich außerdem fasziniert, ist, wie viel Dynamik, finanzielle Power und Talent sich hier bündelt und wie das Valley dadurch diese fantastischen Ergebnisse, die die Welt verändern, generiert. Da sind dieser Can-Do-Spirit und zudem ein großer gemeinsamer Geist – dass man sich untereinander austauscht, technologisch berät und Dinge gemeinsam macht.

Am Standort Deutschland begeistert mich, wie wir mit unserem dualen Berufsbildungssystem ein Wirtschaftssystem geschaffen haben, das weit in die Gesellschaft hineingreift und nicht nur akademische Exzellenz belohnt. Stattdessen sorgt es dafür, breite Teile der Bevölkerung auf diesem Weg der wirtschaftlichen Entwicklung und der Schaffung von Wohlstand mitzunehmen. Als zweiter Punkt begeistert mich neben der politischen Stabilität und exzellenten Infrastruktur, wie auch wir als rohstoffarmes Land uns immer wieder neu erfunden haben. Unser starker Mittelstand ist das Rückgrat unserer Wirtschaft, stößt immer wieder in Nischen vor, bringt Topleistungen und belegt erste Plätze. Ob das jetzt im Maschinenbau ist, im Bereich der Pharmazie oder bei biotechnologischen Bereichen im Automobilbau – wir sind auf breiter Front in vielen verschiedenen Bereichen wirklich exzellent. Unser Reichtum – so sagte einmal ein deutscher Außenminister – liegt zwischen den Ohren. Und eine der größten Stärken Deutschlands ist sicher, ein System geschaffen zu haben, das es immer geschafft hat, diesen Reichtum zu halten und zu fördern. Das ist etwas, das wir immer wieder neu pflegen und aufbauen müssen. Auch deswegen begrüße ich die Initiative des Trans-Nation-Co-Creation-Projekts ganz besonders.

Wie bringen Sie diesen besonderen deutschen Geist ins Silicon Valley?

Vor allen Dingen muss ich sagen, dass es schon sehr viel deutschen Geist im Silicon Valley gibt. Ich rechne mittlerweile mit einer Zahl von ca. 80.000 Deutschen in der Bay Area. Um diesen Geist zum Leben zu erwecken, habe ich mit einigen Mitstreitern unter anderem das sogenannte German-Tech-Mafia-Meeting ins Leben gerufen – ein Instrument, das sehr gut ankommt: Unser letztes Treffen besuchten um die 200 deutsche Techies. Ein anderes Tool ist unser Jour fixe, den wir so alle drei Monate zwischen den hier angesiedelten großen deutschen Institutionen abhalten. Weitere Einrichtungen sind neben dem Generalkonsulat das Deutsche Wissenschafts-Innovationshaus oder auch das Goethe Institut, das trotz intensiver Kulturarbeit auch viel mit Technik zu tun hat. Wir haben wirklich eine ganze Reihe von Institutionen, die den deutschen Geist ins Land holen, und es lohnt, diese eng miteinander zu verzahnen. Und wenn ich das jetzt mal etwas verengen auf eine sehr typische deutsche Branche, sprich: den Automobilbau, dann ist das etwas, was hier sehr erfolgreich läuft. Ein Beispiel dafür ist Porsche. Mit Audi betreibt das Unternehmen jetzt eine Art gemeinsames Labor in San Jose. Das ist etwas, was hier technologisch sehr gut reinpasst und den gesamten Entwicklungsprozess fördert.

In allem, was Nachhaltigkeit, Denken und Tech angeht, haben deutsche Unternehmen sehr starke Positionen – und das sind Werte, die hier dringend gefragt sind und weiter ausgebaut werden sollten. All diese Themen generieren neue Marktchancen, vor allem auch für deutsche Unternehmen. In dieser Hinsicht sind das Generalkonsulat und ich uns unserer Rolle sehr bewusst, diese Werte immer wieder zu zeigen und Kontakte herzustellen.

Das Silicon Valley mit seinem speziellen Spirit auf der einen, der besondere deutsche Geist auf der anderen Seite – was bedeutet es, hier in den Austausch zu gehen, was verbinden Sie mit diesem Co-Creation-Gedanken?

Spätestens seit Beginn der Globalisierung gibt es die Erkenntnis, dass wir in einer immer enger verzahnt operierenden Welt leben – vor allem, was Entwicklung und Technologie angeht. Es gäbe keine iPhones in unseren Taschen, wenn sie nicht für Apple in China zusammengebaut werden würden. Das Silicon Valley ist ein Brennglas was wirtschaftlichen Erfolg und technologische Durchbrüche in Form großer internationaler Koproduktionen angeht. Dass da auch in Deutschland viel passiert, haben die großen Tech-Firmen aus dem Silicon Valley erkannt. Es geht einfach nicht mehr alleine – weder auf unternehmerisch-technologischer noch auf regulatorischer Seite.  Dass diese Notwendigkeit besteht, ist auf beiden Seiten unumstritten. Wir brauchen transnationale Co-Creation. Das ist ein sehr treffendes Mantra, das uns über die nächsten Jahrzehnte und viele Bereiche hinweg mehr und mehr begleiten wird.

Wodurch kommt es Ihrer Meinung nach zu dieser enormen Innovationskraft im Silicon Valley?

Ausgehend von den frühen Anfängen im Valley – den ersten Gehversuchen mit Halbleitern, Transistoren und dann der Halbleitertechnologie – hat sich hier eine besondere Struktur an die großen akademischen Exzellenzzentrenten angedockt. Zusammen mit dem exponentiellen Wachstum gerade im Bereich IT Software hat sich daraus dann innerhalb relativ kurzer Zeit eine immer dichtere Infrastruktur entwickelt.

Es liegt sicher auch an der Lage Kaliforniens, mit dem Valley an der Westküste und seinen engen Beziehungen zu vielen asiatischen Partnerstaaten. Hinzu kommt die Zuwanderung aus Lateinamerika und eben auch Europa. So hat sich eine hoch diverse und auch finanzstarke Struktur herausgebildet, die so in dieser Form nicht replizierbar ist und insbesondere auch von den kurzen, informellen Wegen zu den Geldgebern lebt – die ihrerseits sehr genau beobachten, in welch hoher Taktzahl hier junge Talente die Unis verlassen. Sieht man zum Beispiel auf den Bereich autonomes Fahren, so bekommen auch junge Firmen hier relativ einfacher und schneller Möglichkeiten zur Verfügung gestellt, ihre Systeme und ihre technologischen Produkte zu entwickeln und auszuprobieren. Das ist etwas, was das Valley ganz besonders auszeichnet. Eingebettet natürlich in eine große Volkswirtschaft. Hier ist alles noch einmal ein Stück schneller, produktiver. Das Valley hat auch durch die Pandemie gut hindurch gefunden. Viele sind abgewandert, noch mehr sind dazugekommen. Hier sind so viel Zufluss, Zuwanderung und so viel Talent, die diesen großen Erfolg erklären.

Was können deutsche Unternehmen vom Silicon Valley am meisten lernen, wo sehen Sie die größten Adaptions-Chancen?

Lernen kann man zum einen im übergeordneten, fast schon philosophischen Bereich diese Can-do-Mentalität. Und das auch mit dem Blick auf Risiken, auf die Dinge, die schiefgehen können. Wenn hier ein Produkt entwickelt wird, wird zuerst darauf geschaut, was es bringt, wie weit es noch vorangetrieben werden kann. Nehmen wir das Beispiel Tesla, wo gesagt wird: Wir bauen erst mal alles rein, reduzieren können wir immer noch. Das ist so ein Denken von zwei verschiedenen Seiten. Deutschland kann sich davon unter anderem die Geschwindigkeit der Genehmigungsverfahren abgucken. Hier im Valley ein Geschäft zu eröffnen geht einfach ungleich schneller. Auch Kapital, vor allem Wagniskapital, das auch mal versenkt wird, ist in ganz andere Dimensionen vorhanden. Das ist etwas, was sich in Deutschland erst noch entwickeln muss. Hier heißt Wagniskapital eben auch, dass es in manchen Bereichen mit durchaus hohen Durchfallquoten verbunden ist – aber eben auch mit Lerneffekten. Wenn hier im Valley jemand scheitert und wieder aufsteht, traut man ihm zu, gelernt zu haben und die nächsten Schritte noch erfolgreicher zu gehen. Daher rate ich den Unternehmen, die hier her zu Besuch kommen, auch immer, weniger „Schaufensterbesuche“ zu machen, also nicht nur zu schauen, sondern mit eigenen Problemen bzw. Arbeitsfragen zu kommen und zu sagen, seht her, daran arbeiten wir gerade – was habt ihr für Lösungen? So kommt man in einen Arbeitsdialog, aus dem sich Geschäftsanbahnung und Kontakte ergeben.

Ich sehe, dass es mittlerweile auch in Deutschland Wettbewerbe und Technologiezentren gibt, die heranwachsen, und dass sich neben der Mittelstandsstruktur bei der jüngeren Generation mehr und mehr eine Startup-Mentalität breit macht: Ein Produkt entwickeln, skalieren, vier, fünf Jahre betreiben, dann verkaufen und danach vielleicht etwas ganz anderes machen. Auch das ist immer noch ein großer Unterschied, dass man sich hier im Valley in verschiedenen Bereichen ausprobieren, austesten und auch von Branche zu Branche springen kann – ganz entgegen den zum Teil noch alten Berufsbildern in Deutschland. Dort zieht man eher langfristig ein Experten- und Spezialistentum heran. Sich breit aufzustellen, verschiedene Dinge auszuprobieren und auch mal zu scheitern – das ist ein Modell, das es so in Deutschland noch nicht gibt.

Welche Unterstützung geht von Ihnen aus San Francisco heraus für die teilnehmenden Unternehmen des Trans-Nation-Co-Creation-Projekts aus?

Ein Pfeiler ist es, hier vor Ort Türen zu öffnen, Netzwerke zu etablieren, Kontakte auf den Weg zu bringen. Dazu machen wir zum einen zahlreiche Veranstaltungen hier bei uns in der Residenz. Andererseits besuche ich aber auch viele Veranstaltungen und bringe deutsche Unternehmen, Startups, Institutionen und Entscheidungsträger mit hiesigen Firmen und Institutionen zusammen. Da geht es um Technologie, Automobil- und Flugzeugbau, Logistik, Photonic Industry – um interne Investitionen, aber auch darum, Partnerschaften anzubahnen. Wir ermöglichen Gespräche mit den hier ansässigen Entscheidungsträgern und eine noch engere Verzahnung.

Der zweite Pfeiler ist, darüber zu berichten, was hier passiert, was sich hier entwickelt, welche Marktchancen sich hier gerade für deutsche Unternehmen ergeben. Wir wollen auch gerade jungen Leuten die Scheu nehmen und sagen, kommt mal rüber, macht euren Pitch, vertretet euer Produkt. Für all das braucht es Partner, und die haben wir. Und es braucht die Schnittpunkte Wissenschaft, Wirtschaft und politische Entscheidungen. Das alles sind sehr, sehr spannende Themen, für die es auch den transatlantischen Austausch braucht.

Lieber Herr Schramm, vielen Dank für diese spannenden Einblicke in die Möglichkeiten und Chancen erfolgreicher Co-Creation zwischen Deutschland und dem Silicon Valley!

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